6 Kaliber für die Schwarzwildjagd

Munition kaliber Jagd

©Pixabay

Das beste Kaliber für die effektive Schwarzwildjagd – Gibt es das überhaupt? JÄGER-Autor Hendrik Brinkmann hat es herausgefunden!

Jeder Jäger kennt das: Man spricht mit seinen Freunden über die Jagd, erzählt von seinen Erlebnissen in Wald und Flur und dann kommt sie – die Frage, die Quelle emotionaler, die Freundschaft kurzzeitig belastender Diskussionen: Welches Kaliber schießt du? Schweigen im Walde. Der eine sagt: „Ich schieße 8×57 IS. Das beste Kaliber.“ Ein anderer entgegnet: „Was? Ich schieße .30-06. Damit liegt alles im Knall.“

Kaliberfrage = Religionsfrage?

Die Idee für diesen Artikel kam uns übrigens beim Lesen eines Jagdtagebuchs. Dort wurde zu jedem Jagderlebnis Schussentfernung, Fluchtdistanz, Wildbretgewicht & Co. notiert. Dabei kamen wir zu dem Ergebnis, dass die durchschnittliche Schussdistanz auf Ansitz, Pirsch und Drückjagd bei 78 Meter und das durchschnittliche Wildbretgewicht bei 34 Kilogramm lag.

Umso interessanter war es in Anbetracht der in Deutschland bejagbaren Wildarten und des durchschnittlichen Wildbretgewichts, auf zahlreichen Drückjagden festzustellen, dass manche Schützen vermeintlich exotische Kaliber wie 8×68 S, 9,3×64, .375 H&H Magnum, .416 Rigby oder sogar .458 Win. Mag. führen.

Meistens gab es bei diesen Jägern mehr Flur- als „Wildschaden“ inklusive blauer Schultern und Narben über der Augenbraue zu verzeichnen, also im wahrsten Sinne des Wortes „Samstage Kaliber“. Die erfolgreichsten Schützen führten einen Repetierer in einem Standardkaliber, mit dessen Handhabung sie vertraut waren.

.308 Winchester - Ein beliebtes Kaliber, aus gutem Grund? ©Hersteller

.308 Winchester – Ein beliebtes Kaliber, aus gutem Grund? ©Hersteller

Das ideale Kaliber für die Jagd?

Es stellt sich die Frage, ob es beim Vergleich der in Deutschland meistgeführten Kaliber eines gibt, bei dem ein Treffer eine vergleichsweise hohe Augenblickswirkung bei Sauen verzeichnet und welches Kaliber beim Kauf einer Waffe für die Saujagd empfehlenswert ist.

Folgende hoffentlich saustarke Kaliber wurden ausgewählt: .270 Win., 7×64, .30-06,.308 Win. und 8×57 IS.

Neben diesen Standardkalibern wurden als Kontrollgruppen Daten über die Kaliber .300 Win. Mag., .338 Lapua Magnum, 9,3×62 und .375 H&H Magnum gewonnen.

Joule und Kaliber

Für ein besseres Verständnis der Leistung der ausgewählten Büchsenpatronen möchten wir an dieser Stelle die Einheit Joule erläutern. Ein Joule ist die Kraft, die benötigt wird, um einen Körper mit der Masse von 0,102 Kilogramm (etwa eine Tafel Schokolade) um einen Meter anzuheben.

Die .308 Win. erzeugt mit dem 10,7 g Doppelkerngeschoss von RWS eine E0 von 3.424 Joule. Das entspricht der Kraft, die notwendig ist, um 349,25 Kilogramm oder 14 Säcke Zement à 25 Kilogramm einen Meter anzuheben.

Diese Kraft wirkt dabei auf einen Querschnitt von 7,82 Millimeter.

Erste Erkenntnisse der vermeintlich saustarken Kaliber

©Sauenmagazin

Die durchschnittliche Schussdistanz bei 182 von mehreren Schützen erlegten Sauen betrug 60 Meter, das durchschnittliche Wildbretgewicht lag bei 45 Kilogramm.

Der Vergleich der .270 Win., .308 Win., .30-06, .300 Win. Mag., 7×64 und 8×57 IS brachte in Bezug auf die Augenblickswirkung keinen Favoriten hervor. Die Kaliber wiesen bei Schüssen auf Haupt, Träger, Blatt und Kammer ähnliche Ergebnisse bezüglich der Fluchtdistanz auf.

Bei Schüssen auf Haupt und Träger lagen die Sauen im Knall. Saß die Kugel auf dem Blatt, flüchteten die Sauen bei einem Treffer mit dem 10,7 g Doppelkerngeschoss aus der .308 Win. im Durchschnitt 25 Meter. Bei Kammertreffern mit der .308 Win. flüchteten sie im Mittel 28 Meter. Sofern mit der .270 Win. (Hornady 8,4 g Interlock) die Kammer getroffen wurde, gingen die Sauen 48 Meter.

Im Vergleich bei Kammertreffern war das die höchste Fluchtdistanz für unsere saustarke Kaliber. Die Unterschiede in der Augenblickswirkung wurden bei weichen Treffern deutlich. Die Fluchtdistanz bei Treffern mit der .308 Win. war etwa doppelt so lang (135 m) wie die Fluchtdistanz nach Treffern mit der .30-06 (67 m) oder der 8×57 IS (70 m).

Eine noch schlechtere Wirkung bei weichen Treffern gab es bei der .270 Win. Hier lag die Fluchtstrecke im Durchschnitt bei 213 Meter.

7x64 - Ein rasantes Geschoss - gut für die Drückjagd ©Hersteller

7×64 – Ein rasantes Geschoss – gut für die Drückjagd ©Hersteller

Der Faktor Geschoss

Diese Ergebnisse stellen aufgrund der Datenbasis von 182 Stück Schwarzwild lediglich eine Tendenz dar. Letztendlich ist nicht das Kaliber entscheidend, sondern das Geschoss und die damit erreichte Energieabgabe. Eine .300 Win. Mag. mit hartem Geschoss, z.B. 11,7 g UNI Classic-Geschoss (E0 = 5.169 Joule), bei der 1.500 Joule im Wildkörper und 3.000 Joule im Kugelfang landen, bringt weniger als eine .308 Win. mit 10,7 g Doppelkerngeschoss, bei der die Energie im Wildkörper größtenteils abgegeben wird.

Der Ausschuss ist auch mit großen Kalibern bei falsch gewählten Geschossen nicht sicher. Die Magnumkaliber sind insbesondere bei Entfernungen unter 150 Meter den Standardkalibern in ihrer Wirkung eher unterlegen, da das in Deutschland vorkommende Wild wenig Zielwiderstand bietet und deshalb das Geschoss kaum aufmacht, wodurch wenig Energie im Wildkörper abgegeben wird.

Lapua Naturalis .308 - Das Besondere: das 100-prozentige Restgewicht des Geschosses nach der Expansion ©Hersteller

Lapua Naturalis .308 – Das Besondere: das 100-prozentige Restgewicht des Geschosses nach der Expansion ©Hersteller

Wildbretentwertung durch Jagdkaliber

Bei der Wahl des Geschosses muss zwischen Wildbretentwertung und Augenblickswirkung abgewogen werden. Hier sei zu hochblatt als Haltepunkt geraten.

Hier gilt der Jäger-Spruch: „Du musst die Vorderachse demontieren. Dann liegen die Sauen im Knall.“ Dabei werden die Schulterblätter und die Wirbelsäule getroffen. Der Vorteil bei diesem Treffersitz im Vergleich zu Schüssen auf Haupt oder Träger ist die wesentlich größere Trefferfläche.

Der Nachteil ist die etwas höhere Wildbretentwertung. Das ist allerdings besser als eine Nachsuche auf ein Stück mit Gebrechschuss, an das man häufig genug ohnehin nicht herankommt. Die rasanten Kaliber wie 7×64 und .30-06 haben auf der Drückjagd den Vorteil, dass man ein etwas geringeres Vorhaltemaß (siehe Vorhaltekarte SAUEN 2/2012) und mehr Reserven im Vergleich zur .308 Win. hat. Nichtsdestotrotz machen bleifreie Geschosse aus zum Beispiel der 8×57 IS eine Patrone mit vergleichbarer Rasanz, so dass man ein ähnliches Vorhaltemaß wie mit einer .300 Win. Mag. hat.

©Pauline von Hardenberg

Nur das Kaliber?  Die Waffe entscheidet auch!

Beim Kauf einer Waffe für die Jagd auf Schwarzwild empfehlen wir eine solche mit langem Lauf (mindestens 56 cm Lauflänge) zur vollen Leistungsausbeute. Weiterhin sollte man ein Kaliber wählen, für das eine breite Munitionspalette im Angebot vorhanden ist. Sofern ein Repetierer ausgesucht wird, ist es sinnvoll, einen Heavy- Medium-Lauf aufgrund des höheren Gewichts, des geringeren Rückstoßes und des besseren Schwingungsverhaltens für schnelles und präzises Schießen auszusuchen. Dem Argument, dass die Waffe damit zu schwer ist, sollte nicht zuviel Gewicht beigemessen werden. Heutzutage ist der Weg vom Auto bis zum Hochsitz meist nicht weiter als 100 Meter lang – da macht sich ein um 300 Gramm höheres Laufgewicht nicht bemerkbar.

Fazit

Jeder Jäger sollte das für sich größte, noch angenehm zu schießende Kaliber wählen. Rückstoßempfindliche Schützen sollten eine .308 Win. verwenden.

Bezüglich der Wirkung und der Reserven bei schlechten Schüssen war die 8×57 IS ausgewogen und empfehlenswert. Das deutsche Kaliber bringt etwas mehr Masse ins Ziel und ist dabei noch angenehm zu schießen.

Die .30-06 bietet eine große Auswahl an Geschossen, wie das RWS 9,7 g KS, das Hornady 11,7 g SST Superperformance (Energie vergleichbar mit einer .300 Win. Mag.) oder das Sako 14,3 g Hammerhead und ist somit ein Kaliber für fast jede Jagdgelegenheit.