Hundeführer Andreas Schniete im Portrait

Hundeführer Andreas Schniete im Portrait

©Pauline von Hardenberg

Ein Mann wie ein Baum: Hundeführer Andreas Schniete hat im Jagdjahr 2012/2013 über 1.800 Sauen mit seiner Meute zur Strecke gebracht.

Damit spielen er und seine 32 haarigen Helfer in der absoluten Champions League. Die vergangene Jagdsaison war die erfolgreichste des Mannes, der seit mittlerweile über 24 Jahren in den aufregenderen Dickungen Österreichs, Ungarns und Deutschlands für Furore sorgt. Lucas v. Bothmer stellt den Hundeführer und sein Team vor.

Hundeführer – der kleine Unterschniet

Enttäuscht sitzt der Jagdherr auf seinem Stand: „Das gibt’s doch nicht!“ Er war sich sicher gewesen, dass hier eine Rotte läge. Mindestens eine. „Bei der trockenen Kälte, bei der Sonne, da liegen die Sauen immer im hohen Riedgras auf dieser Freifläche!“ Doch die Hunde von Hundeführer Meier (Name von der Redaktion geändert) fanden nur zwei Rehe, die sie augenblicklich lauthals verfolgten. Nun ist die Bühne wieder leer. Gespenstisch still ist es. Die fahle Wintersonne prallt ab am blauen Eispanzer, der in grimmiger Entschlossenheit die karge Landschaft des hohen Flämings umklammert und in zauberhaftes Licht taucht. Einzelne Schneeflocken tanzen durch die Luft. Ein Tag wie gemalt im Nadelwald. Der Novemberfrost hat noch die Unschuld, den Zauber des Anfangs, ganz anders als die kalten, dunklen Februartage.

Hundeführer Andreas Schniete im Porträt Sauen Wildschwein Jagd Jägermagazin hunting wildboar

©Pauline von Hardenberg

Wenn der Hundeführer kommt…

Der Jagdherr lehnt sich zurück auf seinem Ansitzbock. Erst undeutlich, dann immer klarer hört er die zweite Treiberwehr sich nähern, welche hier traditionell eine Weile nach der ersten anrückt. Ein System, das sich bewährt hat. Lauter und lauter klingen ihre Rufe durch die Kiefern, ab und an gibt ein Hund kurz Laut. Eine Stimme sticht heraus, übertönt alle. So klar gellt sie durch den Wald, dass es kilometerweit zu hören ist. „Hooop, hooop, hooop!“ Heiser, dunkel, gewaltig. Sie strotzt vor unbändiger Kraft , Wildheit und Passion. Sie erklingt jeden Winter auf vielen Drückjagden und begleitet manchen passionierten Saujäger quasi wochenlang. Sie gehört Andreas Schniete, 50 Jahre, aus Oranienburg bei Berlin. Erstaunlich gewandt, schnell, mit ausgreifenden Schritten stapft der Hüne in schweren Keilerhosen durch die Kiefern. Um ihn herum immer ein paar Bewacher, Drahthaare, Bracken, auch Jagdterrier jagen an seiner Seite.

Hundeführer Andreas Schniete im Porträt Sauen Wildschwein Jagd Jägermagazin hunting wildboar

©Pauline von Hardenberg

Sauen in den Binsen!

Ununterbrochen macht sich der Hundeführer bemerkbar, er brüllt, dass es einem durch die Glieder fährt. Er kommandiert seine Helfer umher, die Sucher, die Packer, die Finder. Am Stand des Jagdherrn erkundigt er sich nach dessen Anblick. Dieser bescheidet ihm, dass die erste Meute lediglich Rehwild hochgemacht habe. Schniete runzelt die Stirn: „Hier? Das glaub’ ich nicht. Schau doch mal wie Jerry anzieht.“ Ihre Blicke folgen einem jungen, schlanken Drahthaar. „Der mit der feinsten Nase in der ganzen Meute. Der scheueste und ängstlichste von all meinen Hunden – aber der findet die Sauen mit verbundenen Augen. Wenn der nichts in der Nase hat, dann ist hier auch nix.“ Jerry verschwindet zielstrebig in den Binsenlandschaften der Freifläche, einsehen kann das allerdings nur der Jagdherr, welcher ja zwei Meter über dem Boden steht. Der Hund hebt den Fang, saugt die Luft ein– und steht an einer jungen Kiefer abrupt vor. Er gibt Standlaut, einmal, zwei- mal, dumpf und vorsichtig.

….Dann explodiert der Wald

Sauen Wildschwein Jagd Jägermagazin hunting wildboar

©Pauline von Hardenberg

Der Rest der Meute rast herbei, verteilt sich, lauthals. Ein Konzert setzt ein. Dort, wo es noch vor Minuten so leise war, erklingt plötzlich überall griffiger Standlaut, das Lieblingslied des Saujägers! Der Jagdherr kann genau einsehen, wie die Hunde sich zu kleinen Trupps aufsplittern, überall auf der fünf Hektar großen Riedgras äche ertönt das Geläut, sicher zwanzig Hunde sind es, die gleichzeitig Sauen gestellt zu haben scheinen. „Nicht zu fassen!“ entfährt es dem Schützen ungläubig, der das Geschehen gebannt verfolgt. Seine Worte richten sich an Hundeführer Schniete, den er eben noch neben sich wähnte, doch der ist längst im Busch verschwunden und brüllt in einer Tour: „Sauen! Sauen! Sau nach vorne! Sau nach hinten, Achtung! Sauen!“ Dann explodiert der Wald.

Der Hundeführer macht alle Sauen hoch

Es knallt in schneller Folge, ein-, zwei-, drei- mal, erst an einem Ende des Einstands, dann am anderen. Der Jagdherr erlegt innerhalb von vier Minuten fünf Frischlinge, allesamt einzeln angewechselt. Über zwanzig Stück Schwarzwild hatten sich insgesamt auf der kleinen Fläche versteckt. Über zwanzig Stück, welche die erste Meute komplett überlaufen hatte. Über zwanzig Stück haben eine Treiberwehr mit zwölf Mann und 15 Hunden eisern vorbeiziehen lassen, als sei es ein warmer Sommerregen. Als der Jagdherr später von einer Redakteurin des SAUEN- Magazins, die in der Treiberwehr mitläu , über das Spektakel ausgefragt wird, entfährt es ihm: „Das, meine Liebe, ist eben der feine ,Unterschniet’.“

Sauen Wildschwein Jagd Jägermagazin hunting wildboar

©Pauline von Hardenberg

Mit dem Hundeführer in Ungarn

Wochen später. Wir sind in Ungarn. Es ist Schnee gefallen – und das auch noch über Nacht. In den ausgedehnten Pachtrevieren am Fuße der Bakony-Berge muss dringend gejagt werden, denn der Wildschaden auf den Feldern im vergangenen Sommer hat schwindelerregende Höhen erreicht. Zu diesem Zweck hat der Pächter, der selbst schon hunderte von Drückjagden organisiert hat, Andreas Schniete bestellt. Es ist jedes Jahr derselbe Wahnsinnsauftrag, so herausfordernd, dass nur wenige ihn erfüllen können. Der Veranstalter richtet eine zehntägige Jagdreise durch die besten Reviere Ungarns aus. Teilnehmen dürfen eingeladene und zahlende Gäste, doch allesamt sind handverlesen.

30 Hunde und ein Hundeführer

Gejagt wird nur in freier Wildbahn, und damit die ungarischen Hundeführer erst gar nicht in Verlegenheit gebracht werden, ist Hundeführer Schniete mit 30 Drahthaar, Bracken, Terriern und Mischlingen aus dem fernen Brandenburg angereist, um seinen Freund und Auftraggeber zu unterstützen. Zehn Tage lang wälzt sich der Mann wie ein wildes Tier durch Schilf, Dornen, über Berge, durch Gatterzäune, Naturverjüngungen und Farnlandschaften. „Warum?“ wollen wir eines Mittags von ihm wissen. Wir stehen auf einem Schrottplatz an einem Feuer, das nur qualmt und nicht wärmt, das Gulasch ist kalt, die Füße sind nass.

Sauen Wildschwein Jagd Jägermagazin hunting wildboar

©Pauline von Hardenberg

Die besten Reviere Ungarns

„Das hier, meine Freunde, sind die besten Reviere Ungarns“, sagt Andreas Schniete mit einem Grinsen. „Doch trotzdem wird hier jeder gleich behandelt, alle essen das Gleiche, alle sind ständig zusammen – Treiber und Schützen sind genauso miteinander verbunden, wie meine Hunde – es ist die Gemeinschaft , die ich hier so liebe, das kollektive Abenteuer.“ Und in der Tat: Wir sehen Andreas Schniete morgens, mittags und abends. Er ist nicht „der Hundeührer“, sondern er ist der wichtigste Teil eines Systems, das perfekt funktioniert. Je nach Geländebeschaffenheit stellt er die Auswahl seiner Hunde zusammen, für ein Treiben von 400 Hektar Schilf beispielsweise wählt er nur hochläufige Hunde aus.

Drückjagd vom Allerfeinsten

Er lässt seine Meute in zwei bis drei verschiedenen Trupps täglich durchroutieren, denn die körperliche Belastung ist so immens, dass auch die Hochleistungs-Vierläufer Pausen brauchen. Die SAUEN-Redaktion ist vier Tage mit an Bord – und erlebt Jagd vom Allerfeinsten. Gesprengte Rotten, von den Hunden abgefangenes Wild, gigantische Rotwildrudel, die übrigens nie vor den Hunden kommen – und eine fröhliche Jagdcorona. Als hätte sich der Teamgeist der Hundemeute auf den der Waidmänner übertragen. Als müssten die Leute einfach nur einmal weg von Zuhause, um gesellscha liche Gräben zu überbrücken. Um gemeinsam mit ungarischen Treibern und österreichischen Saujägern das Glas zu erheben und dankbar zu sein für das Waidwerk und die Schöpfung.