Jagdkolumne Lucas von Bothmer – Jagd im Internet

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©Pauline von Hardenberg

Immer mehr Jäger vernetzen sich auf Foren zur Jagd im Internet. Das ist eigentlich begrüßenswert.

Doch die Aggressivität, mit welcher Diskussionen dort zum Teil anonym geführt werden, sollte uns nachdenklich stimmen.

Soll die Jagd im Internet stattfinden?

Der „Kirrminator“ ist außer sich: In seinem Jagdforum hat doch tatsächlich jemand ein Bild von einer erlegten Überläuferbache veröffentlicht – und das auch noch im Januar! „Na warte“, denkt der Kirrminator sich, „dem werd’ ich Manieren beibringen.“ Er schreibt eine flammende Zurechtweisung, hastig und voller Rechtschreibfehler, aber darauf kommt es in der Hitze des Gefechts nicht an.

Im Internet ist Geschwindigkeit alles. Wie kann einer so unwaidmännisch sein und dann auch noch alles ins Netz hochladen? Im Januar eine Überläuferbache schießen, auf über hundert Meter, im Mondlicht bei Schnee – und das auch noch öffentlich zugeben? So ein perverser Irrer, der macht uns die ganze Jagd kaputt! Es dauert Minuten, da klinken sich andere ein: „Kegelspitz83“, und auch „Tellerschusstheo“ lassen sich nicht lange bitten – sie laden ihre Katapulte der Waidgerechtigkeit und feuern ununterbrochen auf den stolzen Erleger, der hastig den digitalen Rückzug antritt.

Jagd im Internet – immer drauf!

Zwar war die Bache nicht führend – doch das vermag die Kritiker nicht zu besänftigen. Sie mahnen die Verfehlungen von „Volker Racho“ in aller Deutlichkeit an. Sie erläutern ihm wortreich, dass man im Januar nicht mehr sicher sein könne, ob eine Überläuferbache Frischlinge führe. Sie weisen darauf hin, dass er einen weiten Schuss bei Mondlicht riskiert habe. Sie reden, nein, sie schreiben sich in Rage, bis es irgendwann unsachlich wird – verletzend und hasserfüllt. Sie schreiben über Stunden, sie diskutieren mit anderen Jägern, die sich einklinken, sie investieren viele Stunden Zeit und Energie.

Es ist Dienstag Nachmittag, und ich sitze an meinem Schreibtisch. Ich verfolge die Diskussion gebannt und geschockt zugleich. Ich kann eigentlich gar nicht fassen, was ich lese. Da prügeln drei Männer auf einen Jungjäger ein, der seine erste Sau gestreckt hat. Der junge Bursche hat sein Jagdglück leichtfertig und voller Stolz der Internetgemeinde anvertraut. Sein Abschuss war richtig, sein Schuss war gut.

Hemmungslose Angeberei

Doch schon die Eventualität eines Fehlverhaltens genügt den anderen Forenmitgliedern, um die Fassung zu verlieren. Sie reagieren erst belehrend, dann beharrlich und schließlich zornig. Warum ist das so? Wir wissen, dass im Internet jeder Mensch anonym bleiben kann. Dabei zeigen wir plötzlich unser wahres Gesicht. Einige werden zu hemmungslosen Angebern. Andere wollen sich einfach mal ihren Ärger von der Seele tippen.

Doch sie alle bleiben irgendwie anonym, denn das ist ja die Idee der Foren: Wir unterhalten uns rein virtuell, ohne Referenz und meist mit Leuten, die wir gar nicht kennen. Anonym ist man also nicht nur, wenn man seinen Namen ändert; anonym ist man auch, wenn man mit Unbekannten diskutiert. Wir sitzen uns nicht gegenüber. Volker Racho, Kirrminator, Kegelspitz83 und auch Tellerschusstheo haben sich noch nie gesehen. Sie alle sind wahrscheinlich unbescholtene Bürger jüngeren Alters, die ihrer gemeinsamen Passion nachgehen, sich auf Foren herumtreiben auf der Suche nach Austausch und Kontakten rund ums Thema Jagd.

Jagd im Internet ist pedantische Fehlersuche bei anderen

Und jeden Tag passiert dort, worauf manche nur zu warten scheinen: Irgendeiner macht einen Fehler. Er „outet“ sich, gibt absichtlich oder versehentlich etwas zu, das für Erregung sorgt. Er zeigt fehlendes Fachwissen oder mangelnde jagdliche Herzensbildung. Da gibt es kein Halten mehr. Sie geißeln drauf los, sie kritisieren bis aufs Messer, sie klopfen sich auf die Schulter, die „Besserjäger“ des Internets. Das Prinzip ist simpel: Wenn mich keiner kennt, dann weiß auch keiner, was ich alles selbst schon falsch gemacht habe.

Es ist interessant zu sehen, wie aggressiv und streitlustig sich plötzlich viele Internetnutzer im Schutz der Anonymität präsentieren. Das zeigt sich ja nicht nur auf der Jagd; auch wenn es um Fußball, um Politik, um soziale Gerechtigkeit geht, werden viele Menschen plötzlich ungemein leidenscha lich, mutig und – leider – eben auch emotional gewaltbereit. Nun ist die Jagd ein Sonderfall: Sie ist eben kein Hobby, sie ist für uns mehr, ein Lebensinhalt. Da wir Lebewesen töten, dürfen wir uns natürlich auch weniger Fehler erlauben als Fußballer. Doch da wir nur wenige sind, wäre es da nicht schön, wenn wir etwas solidarischer miteinander umgingen?

Beeindruckende Aufgabe – aber nicht für das Internet geeignet- oder? ©Pauline von Hardenberg

Jagd im Internet – Fünf Dinge erstaunen an den Forennutzern:

1. Die rückhaltlose Intoleranz gegenüber den Verfehlungen anderer einerseits.

2. Die extreme Selbstgerechtigkeit vieler „Internetjäger“ andererseits.

3. Die hohe Unsachlichkeit, mit der Diskussionen geführt werden, sobald sie im Netz und damit anonym stattfinden.

4. Das große Bedürfnis nach Anerkennung. So werden immer wieder Drückjagdstrecken hastig aufgetürmt, um sie einer Internetgemeinde zu präsentieren, deren Wohlwollen man sich keinesfalls sicher sein kann.

5. Die innere Zerrissenheit einer kleinen Gemeinde, die eigentlich so dringend mehr Geschlossenheit bräuchte.

Ich bin nicht gegen diese Internetforen. Ich finde es gut, dass wir so alle die Chance haben, uns zu vernetzen. Das Internet ist auch für die Jagd eine große Chance. Aber es ist besorgniserregend zu sehen, wie streitbar und intolerant Leute miteinander sind, die doch eigentlich dieselbe Sache wollen – in Ruhe auf Jagd gehen. Friedlich miteinander, oder notfalls auch gern allein.